3DEXPERIENCE Conference von Dassault Systèmes in Darmstadt: Nachhaltigkeit im Fokus, Tag 1
Nachhaltigkeit ist ein Megathema unserer Zeit. Ob Klimawandel, Naturschutz oder Ressourcenverschwendung – all die Themen, die unseren Planeten und die Menschheit negativ beeinflussen, lassen sich mit Innovation und Technologie lösen – das ist zumindest die Quintessenz des ersten Tages der 3DEXPERIENCE Conference in Darmstadt. Am 18. Oktober 2023 präsentierte Dassault Systèmes im Kongresszentrum „Darmstadtium“ seine Vision von der Produktentwicklung der Zukunft.
Dominic Kurtaz, Managing Director Eurocentral bei Dassault Systèmes, eröffnete die Konferenz mit einigen Zahlen aus einer PwC-Studie. In der Automobilindustrie nutzen immerhin bereits 74 Prozent der Firmen virtuelle Zwillinge in der Konstruktion, im Maschinenbau sind es nur 40 Prozent, in der Consumer-Industrie weniger als 20 Prozent. In nachgelagerten Bereichen wie der Fertigung, Logistik und dem Nutzungszyklus ist der virtuelle Zwilling ebenfalls bei weniger als 20 Prozent aller Firmen im Einsatz. Ein Problem hier sind laut Kurtaz die vielen Stakeholder, die in digitalisierte Prozesse eingebunden werden müssen – die allerdings auch überproportional von solchen Prozessen profitieren.
Digitale Champions sind nach PwC jene Firmen, die nicht nur virtuelle Zwillinge auf Basis von CAD und PLM, sondern auch weitere digitale Prozesse wie AR/VR oder Social Listening für den Kundenkontakt nutzen. Sie erwirtschaften 20 Prozent ihres Umsatzes mit Produkten, die weniger als zwei Jahre alt sind.
Neue Produkte, digitale Services und Geschäftsmodelle müssen in den Mittelpunkt aller Entscheidungsfindungen rücken, wenn Unternehmen überleben wollen. Der virtuelle Zwilling ist eine „Einladung zum Experimentieren“, da er es ermöglicht, Produktideen und ungewöhnliche Lösungen im virtuellen Raum auszuprobieren, ohne dass teure Prototypen gebaut werden müssen. So lassen sich Innovationen freier entwickeln, die wiederum energiesparender und ressourcenschonender sind.
Ein wichtiger Treiber für Firmen ist die „Workforce of the Future“. Im Jahr 2035 werden in Deutschland 15 Prozent der heute Werktätigen fehlen, das sind acht Millionen Menschen. Zudem verlieren die Unternehmen viel Know-how, wenn ältere Mitarbeiter in Rente gehen. Kurtaz sieht hier zwei Ansatzpunkte: Einerseits brauchen wir Softwaretools, die Mitarbeitern repetitive Arbeiten abnehmen und Wissen konservieren, andererseits muss Engineering attraktiver, „more sexy“, für Jugendliche werden. Kurtaz sagte: „Wir müssen mehr tun, um Mitarbeiter anzuziehen.“
Zweiter Sprecher war Adrian Hayes, britischer Abenteurer, Autor, Sprecher und Coach. Er sprach über kritische Diskussionen, die offen alle Gesichtspunkte eines Themas beleuchten statt vordefinierter „Haltungen“. Nachhaltigkeit sei die Schnittstelle von Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft – es nutze nichts, einseitig nur CO2 einzusparen, für eine wirkliche Wende sei eine ganzheitliche Anstrengung notwendig, die eben auch Wirtschaft und Gesellschaft mitnimmt. „Es gibt keine einfachen Lösungen, alles ist ein Kompromiss“, fasst er zusammen.
In die gleiche Kerbe schlug Günther Kegel, CEO des Komponentenherstellers Pepperl+Fuchs und Präsident des ZVEI, des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie. Auf der 3DEXPERIENCE Conference hat Dassault Systèmes seinen Beitritt in den ZVEI verkündet. Auch Pepperl+Fuchs hat sich für ein modernes PLM-System entschieden, um mehr digitale Services anbieten zu können. So soll ein QR-Code mit einem Link zur Datenbank nicht nur die bisher noch in Papierform vorgeschriebenen schriftlichen Sicherheitshinweise ersetzen, die bei jedem Produkt mitgeliefert werden. „Wir verbrauchen jedes Jahr 20 Millionen Blatt Papier und 10 Millionen Plastiktütchen dafür“, verdeutlichte Kegel das Problem, „und die Kunden werfen das ungelesen weg. Wir müssen keinem gelernten Elektriker sagen, dass Strom gefährlich ist.“
Zudem lassen sich digital weitere Infos, Anleitungen und Wartungshinweise kommunizieren. Kunde und Hersteller profitieren von solch einer digitalen Lösung ebenso wie die Umwelt.
Kegel zeigte, dass die Lücke zwischen dem tatsächlichen Energieverbrauch Deutschlands im Jahr 2050 und dem Potential der erneuerbaren Energien – immerhin 500TWh – nur mit Innovation und einer kompletten Elektrifizierung geschlossen werden kann. Als Beispiel nannte er E-Fuels aus Wasserstoff und CO2 für Autos: Hier werden 30 bis 50 kWh benötigt, um einen Liter E-Fuel zu produzieren. In einem Verbrenner-Auto kommen dann am Ende 4,4 kWh auf der Straße an. Im Elektroauto würde ein wesentlich größerer Anteil der Energie genutzt. „Die Energieeffizienz muss in allen Bereichen massiv gesteigert werden, und das ist nur mit Innovation möglich“, sagte der ZVEI-Präsident. Elektrifizierung, Automation und Digitalisierung seien die Basis dafür.
Seit 2012 hat sich die Anzahl der Erstsemester in Maschinenbau und Elektrotechnik um 20 Prozent reduziert, bei den Abschlüssen beträgt der Rückgang sogar 50 Prozent. „Studiert technische Studiengänge und entwickelt Innovationen, das hilft dem Klima mehr als sich auf der Straße anzukleben“, rät Kegel der jungen Generation in Anspielung auf aktuelle Aktionen von Klimaaktivisten.
Auch die folgenden Breakout-Sessions beinhalteten viele praktische Informationen. So zeigte Thomas Linde von Knorr-Bremse anhand von zehn Punkten aus eigener Erfahrung, wie die Einführung eines virtuellen Zwillings und von MBSE gelingen kann. Dietmar Rostek aus der IT-Abteilung von Porsche zeigte, wie der Sportwagenhersteller PLM nutzt, um die Modellvielfalt und die immer schneller laufende Entwicklung zu managen. Teilweise vier parallele Tracks, in denen Nachhaltigkeit wiederum an vielen Stellen eine Rolle spielte, boten den Teilnehmern Gelegenheiten, Informationen zu sammeln – und die Abendveranstaltung die Möglichkeit, die gewonnenen Erkenntnisse im Gespräch zu vertiefen.
Hier geht es zum Opening 3DEXPERIENCE Conference 2023 Video