Was Sie über die neuen ISO GPS-Toleranzdefinition in SOLIDWORKS wissen müssen
GPS-Toleranzdefinition – dieser Begriff geistert durch viele Konstruktionsbüros und sorgt für Unsicherheit. Was hat es mit den neuen Normen für die Toleranzdefinition auf sich und wie lassen sie sich im SOLIDWORKS umsetzen?
In der klassischen Konstruktion wurden die entwickelten Bauteile und Baugruppen in Zeichnungen abgebildet. Bis in die 1990er Jahre arbeitete man am Zeichenbrett oder am 2D-CAD-System, dann begann – unter anderem dank SOLIDWORKS – der Siegeszug der 3D-CAD-Systeme. Trotzdem werden bis heute Zeichnungen angefertigt, denn meistens definieren die CAD-Nutzer im 3D-Modell nur die Geometrie, nicht aber die vielen Zusatzinformationen, die ebenso wichtig sind für die vollständige Beschreibung eines Bauteils. Diese finden sich nur auf der Zeichnung. Model Based Definition (MBD) ermöglicht es, diese Informationen ans 3D-Modell zu koppeln und machen die Zeichnung endlich weitgehend überflüssig. Das ist in mehr als einer Hinsicht eine sehr gute und wichtige Entwicklung.
Form- und Lagetoleranzen, Passungen, Oberflächenqualität, aber auch Schweißnahtsymbole, Farben, Fertigungshinweise und viele andere Parameter werden in vielen Fällen noch heute in einer Zeichnung abgelegt. Doch Zeichnungen – und damit die Informationen darin – sind nicht maschinenlesbar und können deshalb in weiterführenden Prozessen nicht automatisch ausgewertet werden.
Zudem sind manche Definitionen, die in Zeichnungen üblich machten, eigentlich kontraproduktiv, beispielsweise das Verbot von Kettenmaßen. Soll ein Teil mit zwei Bohrungen an ein anderes geschraubt werden, ist es – von der Funktion her gesehen – sinnvoll, den Abstand zwischen den beiden Bohrungen zu vermaßen und zu tolerieren. Nach klassischer Zeichnungslehre werden beide Bohrungen jedoch jeweils von einer Kante aus vermaßt. Das bedeutet, dass die Toleranz der Bohrungen zueinander nicht direkt, sondern über den Umweg der Bezugskante definiert werden – wobei diese Bezugskante aber vielleicht für die Funktion völlig irrelevant ist. Mit solchen „alten Zöpfen“ räumt ISO GPS auf – zugunsten maschinenlesbarer, fertigungs- und QS-gerechter Definitionen.
SOLIDWORKS MBD ermöglicht es, komplette, verständliche Bauteildefinitionen auf Basis des 3D-Modells zu erstellen. Wie immer steht dabei bei SOLIDWORKS die Nutzerfreundlichkeit im Vordergrund, das System hilft dem Anwender, ISO GPS innerhalb MBD normgerecht umzusetzen. So lassen sich mit dem Form- und Lagetoleranzwerkzeug die notwendigen Angaben schnell aufbauen, indem man die gewünschten Werte und Festlegungen für ein Geometrieelement nacheinander in einem Dialogfenster auswählt. Dabei entsteht die komplexe ISO GPS-Beschreibung automatisch.
Das Form- und Lagetoleranzwerkzeug wurde in SOLIDWORKS 2022 komplett überarbeitet und unterstützt nun den Anwender bei der Erstellung und der nachträglichen Bearbeitung einer Form- und Lagetoleranz. Schon während der Eingabe läuft im Hintergrund ein Crosscheck des Regelwerks auf Basis der ISO 14638:2015 ab. So erhält der Anwender bei Nichteinhaltung einer Norm aussagekräftige Warnmeldungen wie „Der Filter enthält keine vollständige Definition der ersten Richtung für Toleranz“. Zusätzlich wird die Form- und Lagetoleranz eingefärbt, um visuell auf die Nichteinhaltung hinzudeuten.
Der Anwender kann zu jedem Zeitpunkt Anpassungen oder Berichtigungen anbringen, das hilft nicht nur bei der Umsetzung der neuen Toleranzdefinitionen, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit im Umgang mit ISO GPS und MBD.
Auch komplexe Form- und Lagetoleranzen, zusätzliche Indikatoren, Bezüge oder Rahmen lassen sich schnell anlegen. Dabei unterstützt die Funktion „Symbol einfügen“, die einen Zugriff auf eine umfangreiche Symbolbibliothek bereitstellt. Dieses neue Werkzeug unterstützt den Anwender übrigens nicht nur im MDB-Bereich, sondern auch in der Zeichnungserstellung.
Natürlich ist die Toleranzdefinition nach ISO GPS eine große Umstellung für jeden Konstrukteur, der mit den herkömmlichen Methoden aufgewachsen ist. Trotzdem bietet ISO GPS viele Vorteile, vor allem, indem die Daten direkt für weitere Prozesse zugänglich sind, beispielsweise für eine 3D-Toleranzanalyse mit dem SOLIDWORKS-Modul TolAnalyst. Auch in der Fertigung und deren Systemen können diese Daten ohne manuelle Neueingabe gelesen werden – eine große Fehlerquelle ist eliminiert.
Wie die Daten im weiteren Prozess genutzt werden, zeigt sich sehr schön am Beispiel der Qualitätssicherung: Die in SOLIDWORKS erzeugten ISO-GPS-Daten können für den Aufbau eines QS-Reports mit SOLIDWORKS Inspection eingelesen und verwendet werden. Somit ist eine digitale Durchgängigkeit in der Produktentstehung gewährleistet und reduziert so potentielle Fehlerquellen.
SOLIDWORKS entwickelt die MBD-Funktionalitäten stetig weiter, dabei fließen viele Anregungen aus der praktischen Arbeit der Kunden in die Entwicklung ein. Steigen auch Sie möglichst bald in die ISO GPS-Welt ein – Sie profitieren langfristig von einer besseren Kommunikation mit Dienstleistern und dadurch einer besseren Produktqualität. Nicht zuletzt grenzen Sie sich als innovativer „Early Adopter“ vom Wettbewerb ab.